Paul Haberland ist sein eigener Glücksbringer

Krönt sich der Prinz zum König? Paul Haberland hält neben Neueinsteiger Carl Ostermann die deutsche Fahne hoch in der SX2. Der Erfurter hat im „House of Cross“ gute Chancen auf den Gewinn des ADAC SX-Cup in der Nachwuchsklasse der bis 21-Jährigen. Als Fünfter der Gesamtwertung hat der 20-Jährige mit 58 Punkten nur 14 Zähler Rückstand auf US-Boy Dare Demartile (72). Auch Lance Kobusch (69), Kevin Moranz (63) und Dylan Woodcock (61) sind in Reichweite.

Zum Start des SX-Cup in der Hanns-Martin-Schleyer lief alles wie am Schnürchen. Ein abgebrochener Sektkorken bei der Siegehrung war das einzige Malheur an zwei perfekten Tagen für den Thüringer. „Das war wirklich ein sehr gutes Wochenende in Stuttgart. Da hat vieles gepasst. Das hat mich sehr gefreut. Da war ich zur rechten Zeit, am rechten Ort. Für mich kam es nicht unerwartet,“ so Haberland, der dann in Chemnitz aber aus der Spur geriet. „Ich wollte die Führung in der Meisterschaft unbedingt verteidigen. Ich habe mir selber zu viel Druck auferlegt, dadurch haben sich viele Fehler eingeschlichen. Das hat mich die guten Platzierungen gekostet. Um ehrlich zu sein, habe ich danach gar nicht mehr auf meine Position in der Gesamtwertung geschaut“, sagt er in der Rückschau.

In Chemnitz warfen den Thüringer Stürze aus der Bahn

Seine beiden Tagen in Chemnitz waren angereichert mit Pleiten, Pech und Pannen. „Ich habe mich fahrerisch und körperlich nicht gut gefühlt. Dennoch war ich teilweise vorne mit dabei. Am Freitag habe ich in der Qualifikation geführt, bin dann hingefallen und habe das Finale verpasst. Am Samstag wollte ich den Vortag vergessen machen. Ich war Schnellster in meinem Zeittraining. Im Halbfinallauf war ich Zweiter, bin wieder gestürzt und habe mich auf Rang fünf ins Ziel gerettet. Trotz des schlechten Startplatzes bin ich dann im Finale von Platz zehn auf vier vorgefahren nur mit einer kleinen Lücke zum Drittplatzierten. Nachdem ich erneut einen Fehler beging, hat mich ein anderer Fahrer in die Strohballen gedrückt und ich wurde lediglich Zehnter.“

Seit er fünf Jahre alt ist, sitzt Haberland auf einer Maschine. 2010 wurde er Zweiter bei der deutschen Meisterschaft im Motocross mit einer 65ccm-Maschine. Seitdem zeigt seine sportliche Leistungskurve steil nach oben. Motorrad fahren ist sein tägliches Lebenselixier. Alles dreht sich um den geliebten Sport und ist darauf abgestimmt. „Mein Tagesablauf ist relativ stressig. Ich gehe um 6:45 Uhr aus dem Haus und komme nach der Arbeit in der Regel um 17 Uhr zurück. Ich habe auf der Arbeit den ganzen Tag eine stehende Tätigkeit, dennoch probiere ich mich danach körperlich perfekt auf meinen Sport vorzubereiten. Zeit für Freunde oder die Familie bleibt wenig“, erzählt Haberland.

Ab diesem Jahr, wenn alles gut läuft, möchte er sich komplett auf das Crossfahren konzentrieren. Am Montag vor Dortmund hat er seine Abschlussprüfung in der Ausbildung zum Schornsteinfeger. Insofern ist er dann in den Westfallenhallen eventuell sein eigener Glücksbringer. „Ich werde bei der Europameisterschaft und beim ADAC Youngster Cup starten, und wenn es passt, schnuppere ich auch mal bei ein paar WM-Läufen in den USA rein“, sagt er zu seinen Plänen in 2020.

Haberland hat Spaß beim Supercross

Vorher geht es für ihn aber noch in Dortmund ordentlich rund. Der Start in der Halle ist eine willkommene Abwechslung zum Outdoor-Alltag. „Ich fahre lieber SX. Das macht mir mehr Spaß und fällt mir leichter, weil es technisch anspruchsvoller ist. Es ist alles viel enger, die Sprünge bestehen aus Doppelt- und Dreifach-Kombinationen. Beim MX ist die Strecke vom Absprung bis zur Landung mit Erde zugeschüttet, das gibt es beim Supercross nicht. Und natürlich ist das Waschbrett ein Knackpunkt.“

Eines seiner Markenzeichen ist seine unaufgeregte Fahrweise. Der Thüringer gibt kontrolliert und überlegt Gas. Der übliche Stil, immer mit der Ruhe, ist durchaus antrainiert und beabsichtigt. Von Kindesbeinen an brachte ihm dies Vater Torsten bei. Seit Neuestem führt der Niederländer Jef Janssen diesen Weg als sein Coach fort. „Dadurch habe ich noch Reserven nach oben. Wenn ich aggressiv werden müsste, könnte ich das machen. Ich schalte aber sehr selten in diesen Modus, weil du dadurch die Strecke verfährst und schneller Fehler begehst. Deswegen probiere ich meinen normalen Fahrstil weitestgehend beizubehalten.“

2019 wurde er mit gerissenem Kreuzband Neunter

In den letzten beiden Jahren war Haberland in Dortmund 13. und Neunter in der Gesamtwertung der SX2. Die Leistung 2019 war umso höher einzuschätzen, bestritt Haberland die Rennen doch mit einer schweren Verletzung. „Im letzten Jahr bin ich mit einem gerissenen Kreuzband gefahren. Das ist aber im MX schlimmer und schmerzhafter gewesen aufgrund der höheren Geschwindigkeit und den verschiedenen Untergründen. Im Sand lässt du das Bein öfter schleifen, das schmerzte. Der OP-Termin lag eine Woche nach Dortmund. In der Halle war das alles halb so wild.“

In der Westfalenhalle will Haberland den zahlreichen Fans nun zeigen, was er an den Tables und Sprüngen so alles drauf hat und vor allem wieder vorne mitfahren in dem hochkarätigen Feld. „Natürlich ist das Saisonfinale in Dortmund immer ein Highlight. Ich bin perfekt vorbereitet. Die Halle ist riesig, viele Leute kommen da hin. Das ist Wahnsinn. Du spürst schon ein wenig Druck, wenn du als einer der wenigen Deutschen am Start bist. Vorgenommen habe ich mir jetzt erst mal nichts. Ich will die Sache so angehen wie in Stuttgart. Wenn ich einen guten Start habe, die Ruhe bewahre und konzentriert bleibe, weiß ich, dass ich gewinnen oder aufs Podium fahren kann. Das habe ich ja in Stuttgart bewiesen. Hauptsache ich gebe mein Bestes. Ein Sieg zum Saisonabschluss wäre toll.“