Zum 40. Jubiläum des Dortmunder Supercross nimmt „Mister Supercross“ Tommi Deitenbach uns mit hinter die Kulissen, erzählt von den Anfängen und der Entwicklung und natürlich von den Highlights dieses einzigartigen und traditionsreichen Motocross-Spektakels. Die ganze Geschichte gibt’s zum Nachlesen in der aktuellen NRW-Ausgabe der ADAC Motorwelt! ADAC Motorwelt: Das lesen Sie jetzt im neuen Heft mit NRW-Regionalmagazin | ADAC
Freitagabend im Januar, 20 Uhr. In der Westfalenhalle in Dortmund ist es stockdunkel. 10.000 Fans halten ihren Atem an. Eine Mischung aus Spannung, Vorfreude und Adrenalin pur liegt in der Luft. In der Dunkelheit ertönen die ersten Fantröten. Dann kommt der Moment, auf den alle gewartet haben: „Mister Supercross“ Tommi Deitenbach zückt das Mikro und setzt an zu seinem legendären, sekundenlangen „Hallloooo Dortmuuuund!“. Neben ihm steigen meterhohe Feuerflammen hoch, die Spots gehen langsam an, eine La-Ola-Welle mit Handylichtern flutet die Zuschauertribüne. Die Menge jubelt. Die Stimmung explodiert. Die Halle bebt förmlich. „Auch nach 40 Jahren immer noch ein absoluter Gänsehaut-Moment und der Auftakt für eine Wahnsinns-Show!“, findet Deitenbach. Er ist so etwas wie der Urvater des ADAC Supercross in der Westfalenhalle und seit Beginn als Moderator und kreativer Kopf dabei. Das Opening mit der berühmten Begrüßung ist zum Markenzeichen des Events geworden und bildet jedes Mal den Startschuss für drei Tage mit intensiver Rennaction, atemberaubendem Motocross-Freestyle und spektakulärer Lasershow.
Angefangen hat alles ganz beschaulich 1983 als Hallen-Cross. Damals brettern in der Westfalenhalle 125er-Zweitakt-Motorräder mit 40 PS über selbst zusammenschraubte Schanzen aus Holz und eine Bretterpiste auf Betonboden. Doch schnell wird klar, dass sich etwas ändern muss: „Wir haben von großen, vollen Stadien wie in den USA geträumt. Doch danach sah es zunächst nicht aus. Gerade mal die halbe Arena war voll“, erinnert sich Deitenbach. Also reist er mit seiner Frau Petra zum Supercross nach Paris und ist begeistert: „Die haben alles anders gemacht, das war eine richtige Show! Das Licht ging aus. Dann kam geile Musik und die Scheinwerfer gingen an. Dadurch war von Anfang an eine absolute Top-Stimmung.“ Ihm ist sofort klar: Genau das braucht es für das Supercross in Dortmund. Deitenbach organisiert Musik, einen DJ, bunte Spots und kümmert sich um die Möglichkeit, das Licht in der Halle auszumachen, um diesen besonderen Anfangsmoment zu erzeugen.
Zum ersten Mal begrüßt er die Fans 1986 mit seinem „Hallloooo Dortmuuuund!“. „Das war ein ganz anderes Opening, als alle Cross-Fans in Deutschland jemals zuvor gesehen hatten“, erzählt er. Die Kombination aus Sport und Show kommt richtig gut an: Der erste Tag ist fast ausverkauft. Mit knapp 50 Fahrern ist damals Deutschlands Supercross-Elite am Start. Der nächste große Schritt: eine Piste aus Lehm statt Bretter aus Holz. Im Januar 1989 rollen erstmals 100 LKW den Naturboden für die Strecke in die Westfalenhalle. Das Supercross-Event wächst weiter, 1987 kommt ein dritter Renntag dazu.
Zum Highlight im Programm entwickelt sich im Laufe der 90er Jahre die Disziplin Freestyle. Dabei lassen die Freestyle-Profis ihre Motorräder mit spektakulären Sprüngen durch die Halle fliegen und halten das Publikum in Atem. Heute gehört das ADAC Supercross Dortmund mit 80 Fahrern aus 14 Nationen zu den bedeutendsten Supercross-Events in Europa. Das Spektakel aus Laser, Licht und Feuerwerk wird in der Halle auf gigantischen Leinwänden gezeigt und folgt einer bestimmten Choreografie. „Inzwischen machen wir eine richtige Produktion. Licht, Ton, Technik, Feuerwerk – die Abläufe sind wie bei einer TV-Show bis ins Detail durchgeplant. Alles hat sich sehr professionalisiert“, erklärt Deitenbach. Das zeigt das Beispiel der Pyrotechnik: „Beim ersten Feuerwerk in den 90er Jahren haben wir einfach selbst Silvester-Raketen in der Halle gezündet. Heute würdest du dafür bestimmt in den Knast kommen“, sagt der Moderator lachend. Für das Indoor-Feuerwerk ist mittlerweile eine Fachfirma zuständig, die gewissen Kriterien zu Umweltschutz, Brandgefahr und Geräuschemission entsprechen muss. Im Vorfeld laufen Anträge und Genehmigungen. Während das große Feuerwerk über eine doppelt abgesicherte, digitale Steuerung gezündet wird, steht eine Löscheinrichtung bereit. Bei einem Probedurchlauf nimmt eine Delegation aus Feuerwehr, der Stadt Dortmund und der Westfalenhalle dann die einzelnen Pyroeffekte ab. „Diese Entwicklung betrifft inzwischen fast alle Bereiche des Dortmunder Supercross“, fügt Deitenbach hinzu.
Die Vorbereitungen sind deshalb mit einem enormen Aufwand verbunden. „Der Aufbau beginnt eine Woche vorher. Am Samstag vor dem Event wird die komplette Technik für Licht und Ton in die Halle gebracht und anhand von 3D-Zeichnungen an die Decke montiert. Diese sogenannte Rigging dauert 12 bis 15 Stunden.“ Am Sonntag werden dicke Gummimatten als Schutzboden verlegt. Ab Montagmorgen rollt dann um sechs Uhr die erste von 200 LKW-Ladungen in die Halle. Insgesamt werden mehr als 4000 Tonnen Naturboden für die Strecke angeliefert. „Das ist ein besonderer Moment. Da bin ich meistens schon da, weil ich natürlich wissen will, in was für einem Zustand der Lehm ist“, meint Deitenbach. Auf den Lehmboden kommt es besonders an, denn er ist buchstäblich die Grundlage für die Rennen beim Dortmunder Supercross. Über das Jahr lagert er an einem geheimen Ort und auch die Machart ist ein wohl gehütetes Geheimnis. Nur so viel sei verraten: „Der perfekte Lehm darf nicht zu trocken und vor allen Dingen nicht zu nass sein.“
In dreieinhalb Tagen entsteht daraus die rund 300 Meter lange Strecke, die von 1200 einzeln verpackten Strohballen begrenzt wird. Mit dabei ist natürlich auch Streckenbauer Freddy Verherstraeten. Der Belgier und ehemalige Grand Prix-Pilot entwirft jedes Jahr einen neuen Parcours. Das Markenzeichen des Dortmunder Supercross ist das sogenannte „Waschbrett“: Es besteht aus mehreren, direkt aufeinander folgenden Wellen und ist der schwierigste Teil des Rennens, der gleichzeitig Rhythmusgefühl und Kraft erfordert. Für die Jubiläumsaugabe haben sich Deitenbach und sein Team etwas Besonderes ausgedacht: „Wir gehen back to the roots und machen wie in der allerersten Ausgabe 1983 eine Strecke mit sechs Fahrbahnen, anstelle der gewöhnlichen vier. Die Strecke ist dadurch länger, hat mehr Kurven und bekommt einen ganz anderen Charakter.“
„Ich habe riesigen Respekt vor allen Teilnehmern“, sagt Deitenbach. „Ich bin selbst Rennen gefahren, auch wenn das schon sehr lange her ist. Ich weiß, was es bedeutet, hart zu trainieren. Die Jungs, die da draußen ihren Arsch riskieren, sollen sich wohl in Dortmund fühlen. Das ist mir unglaublich wichtig.“
Der Countdown zu seinem 40. „Hallloooooooo Dortmuuuuuuuund!“ läuft. Aufgeregt ist er nach wie vor: „Kurz bevor es losgeht, habe ich schweißnasse Hände, ich schaue 23-mal nach, ob ich den Knopf fürs Mikro am Daumen habe. Wahrscheinlich ist das das Einzige, das sich nie an unserem Supercross in Dortmund ändern wird.“